Harzer Hexenstieg – mit Hund(en)
Wir haben es getan! Wir haben den Harzer Hexenstieg bezwungen. Hedda, Jack und ich sind von Osterode bis nach Thale in fünf Etappen gelaufen. Insgesamt knappe 100 km.
Diese sagenumwobene Tour stand schon lange auf meiner To-Do-Liste und ich freue mich, meine Vita um diesen erlebnisreichen Teil erweitern zu können.
Die Anreise
Wir reisen mit der Bahn und müssen insgesamt 4 Mal umsteigen. Alleine diese Tatsache macht mich nervös. Jack, mein Border Collie, schiebt gern mal Panik und so ein Zug steht auf Jack´s Gruselliste ziemlich weit oben. In meiner Kopfwelt spuken bereits die skurielsten Szenen rum.
Manchmal kommt es anders als man denkt
Um mich selber etwas zu beruhigen tue ich das, was ich am besten kann. Atmen! Und irgendwie gelingt es mir den Zug mit meinem ganzen Gepäck und den beiden Hunden zu betreten, ohne weiter aufzufallen. Jack liegt tapfer unter meinen Beinen und gibt sich große Mühe, nicht auf die Anschnalzattacken interessierter Bahnreisender einzugehen. Relativ schnell kommt er zur Ruhe. Im Harz angekommen pendeln wir noch 3x mit der dortigen Regionalbahn bis zum Ziel Osterrode. Am Ende des Tages tippe ich stolz folgende Memo in mein Handy: Ich habe die besten Hunde der Welt <3 .
1. Tag von Osterode nach Polsterberg 16 km
Die Sonne scheint und unser Abenteuer startet auf dem „Hundscher Weg“. Jack und ich freuen uns wie Bolle, während Hedda noch etwas bocklos wirkt. Ab und zu humpelt sie oder will nicht mehr weiter. Nach einer Weile hat sie sich entweder damit abgefunden, den Tag mit Laufen zu verbringen oder bemerkt, dass ihre Strategie nichts bringt. Jedenfalls laufen wir irgendwann alle frohen Mutes durch den Wald.
Wer hat Angst vor´m „bösen“ Wildschwein?
Plötzlich verspüre ich etwas Angst auf Wildschweine zu treffen. Mein Kopfkino ist begründet durch einen Vorfall, der kurz vor meiner Tour einer Hundetrainierin wiederfuhr. Sie wurde von Wildschweinen attakiert. Ein Hund starb dabei…. Das erste Mal in meinem Leben, macht mir das alleine wandern Angst und ich fühle Hilflosigkeit in mir aufsteigen.
Jack unterstützt diese Gefühlslage, indem er immer so tut (!!??), als ob im Wald etwas sehr Spannendes sein müsste. Raschelnde Büsche und knackende Waldgeräusche, tun ihr übriges. Ich hangel mich gedanklich von einem Hochsitz zum nächsten, in der Hoffnung, diesen im Falle einer Attacke schnell hochklettern zu können.
Oh Schreck – oh Schreck, das Futter ist weg!
Während meine Gedanke so abschweifen, wird mir heiß und kalt. Mit Schrecken fällt mir ein, dass ich gestern Abend im Hotel das komplette Hundefutter, im obersten Fach des Kleiderschrankes versteckt habe. Zur Erklärung. Ich war abends Essen und habe meinen Hunden, die im Zimmer warteten, so die Möglichkeit auf eine All-YOU-CAN-EAT-Party genommen. Schlaue Idee! Allerdings nur, wenn man am nächsten Morgen das Hundefutter auch wieder einpackt…. Wollte Hedda deshalb anfangs nicht mitlaufen….?!?
So´n Handy kann auch Gold wert sein
Moderne Technik seih Dank, konnte ich alles telefonisch klären. Der Gepäcktransfer war noch nicht da und die Dame von der Rezeption hat versprochen, dass sie das Futter aus dem Schrank nimmt und zu meinem Rolli stellt. Puhhh. Glück gehabt.
Am „Eselplatz“ legen wir eine Pause ein. Hier kann ich auch meinen Wanderpass mit dem ersten Stempel verzieren. Die Wege sind sehr gut ausgeschildert. Nur sollte man sich unbedingt merken, bevor man rastet, von welchem Pfad aus man gekommen ist…..
Tipp: Merke dir die Richtung aus der du kamst
Nach kurzen panikartiken Einblicken aller möglichen Abzweigungen, bin ich mir „fast“ sicher, wieder auf Spur zu sein. Die letzte Teilstrecke ist von kleinen Seen durchzogen.
Jack darf baden und schneller als gedacht kommen wir in Polsterberg an. Am Ende dieser Tour werden wir abgeholt und zur gebuchten Pension gebracht. Unser Gepäck mit dem Hundefutter (!) ist bereits da und ein lecker Abendessen im Garten der Pension, rundet den Tag perfekt ab.
Memo an mich:
- Beim Wander-Gott für die Sonne und die Nichbegegnung mit Wildschweinen bedanken
-
-
Schlau machen, wie man sich vor den Biestern schützen kann.
-
Zukünftig merken von welchem Pfad ich gekommen bin, bevor ich mich zur Rast nieder lasse.
-
Hundefutter nicht im Kleiderschrank verstecken.
-
2. Tag von Polsterberg nach Torfhaus 17 km
Gut gestärkt und pünktlich um 9:00 starten wir den zweiten Tag unserer Tour. Es geht mir erstaunlich gut und ich bin fit wie nie. Wir laufen durch einen Wald, über einen Damm und weiter durch ziemlich unwegsames Gelände. Sturmtief Friederike hat im März 2018 ganze Arbeit geleistet.
Überall liegen umgestürzte Bäume rum, die zum Teil unseren Weg versperren. Da fällt mir ein, dass ich gestern 2 Zettel mit Umleitungen bekommen habe, da einige Passagen vom Hexenstieg seit dem Sturmtief unpassierbar sind. Blöd nur, dass ich diese Schreiben nicht dabei habe.
Hindernisse müssen überwunden werden
Dumm gelaufen. Die Hindernisse, die wir überwinden müssen, werden immer mehr. Irgendwann muss ich die Hunde, trotz Leinenzwang, loslassen. Denn jetzt ist sich jeder selbst der Nächste. Ohne Leine meistern die Hunde die Hindernisse sehr gut. Ich bin froh, dass ich mit meinem Rucksack auf dem Rücken nicht gefilmt wurde, während ich über die Bäume geklettert bin. Elegant sieht sicher anders aus.
Als nächstes frag ich mich, warum ich für diese Tour 2 l Wasser mitschleppe? Fast die ganze Zeit laufen wir parallel zu einem Bach. Hedda & Jack können sich uneingeschränkt am kühlen Nass bedienen. Angekommen am Ziel in Torfhaus spüre ich nach dem ganzen gekrachzel und geklettere schliesslich doch meine Hüfte und mein Schienbein.
Die Unterkunft im Torfhaus Hotel ist cool und erinnert mich an eine Afrika Lodge, halt nur im Harz-Style. Ich habe eine Kaffemaschine auf dem Zimmer. Holzfussboden und genieße einen sehr genialen Blick auf den Brocken.
Morgen soll das Wetter stürmischer werden.
Erkenntnis des Tages:
- Hindernisse müssen überwunden werden.
- Hindernisse müssen vor allem dann überwunden werden, wenn man Umleitungen übersieht.
- Nur wegen ein paar Brücken, sollte man nicht die ganze Zeit „über 7 Brücken musst du gehen“ vor sich hinträllern. Das kann auf andere Wanderer (zu Recht) verstörend wirken.
3. Tag von Torfhaus über den Brocken nach Königshütte 25,5 km (von Orkan bis Sonne)
Ich hab geschlafen wie ein Stein. Heute geht es rauf auf den Brocken. Vor lauter Vorfreude trinke ich das „Brackwasser“ (das Wasser, welches nach dem Einschalten die Maschine reinig und dann im Becher landet) aus dem Kaffevollautomat. Bähhh. Mir ist übel. Ich hole mir mein Frühstück und mein Lunchpaket, checke aus und starte frohen Mutes. Jack ist völlig durch den Wind und will die ganze Zeit Vollgas geben, während Hedda lieber weiter die Vorzüge unseres gemütlichen Zimmers genossen hätte. Hunde!!
Im Stechschritt auf den Brocken
Jacks Energie ist stärker und ich lasse mich durch sein Tempo anstecken. Im Stechschritt hetzen wir den Brocken rauf.
Puhh, ist es kalt hier! Und windig! Mindestens Sturmstärke 8! Achwas das sind Orkanböhen!! Nach einem schnellen Kaffe beschliesse ich direkt weiter zu laufen. Ungemütlich ist es hier oben. Der Brocken ist definitiv nicht Drei-Wetter-Taft-tauglich. Die Frisur ist im Eimer und Hedda´s Stimmung erklärt sich ohne Worte. Nur so viel. Sie hasst mich grade (wieder mal). Wir treten den Rückzug an.
Runter geht´s immer
Runter läuft´s sich noch schneller und so kommt es, das wir einen Wanderer nach dem anderen überholen und ich mich so´n büsschen sehr viel sportlicher, als meine Mitwanderer fühle. Hochmut kommt bekanntlich vor dem Fall, was ich auf dem weiteren Verlauf der Tour noch schmerzlich zu spüren bekomme.
Sooo gerne hätte ich Brocken Benno getroffen. Er ist die Ikone im Harz. Er hat dieses Jahr seinen 8000 (!) Brockenaufsteig gefeiert. Glückwunsch auch von mir.
Irgendwann muckt mein Schienbein wieder rum. In meinem Tempoeifer, ignoriere ich das aber gekonnt. Einige umgestürzte Bäume versperren uns wieder den Weg. Man könnte meinen, der Wald hat etwas gegen Wanderer.
Oder Robin Hood sitzt irgendwo im Gebüsch und will all mein Geld. Zeitmäßig werfen uns diese Hindernisse schon zurück, aber wir sind ja nicht auf der Flucht. Um 14:00 Uhr kommen wir in Königshütte an. Den nächsten Wanderstempel gibt es an einem schönen Wasserfall.
Dabei fällt mir ein, dass ich auf dem Brocken vergessen, mir einen Stempel zu holen – MIST!
Meine letzte Worte dieses Tages lauten:
Stolz – Kaputt – Glücklich – Mist!
4. Tag von Königshütte nach Altenbrak 24 km
Wir starten diesen Wandertag mit perfekten Wetterbedingungen. Bewölkt und trocken. Gleich zu Beginn der Tour bin ich hoch erfreut beim Blick auf diese wunderschöne Talsperre.
Durch schöne Natur geht es weiter. Über Baumstämme überqueren wir Bäche (und holen uns nasse Füße), laufen an Flüssen und Seen vorbei und müssen wiedermal umgefallene Bäume überklettern oder durch Dickhicht und Unterholz umwandern. Und obwohl wir Tough Hunter Weltmeister* sind, muss ich Schwäche zeigen. Mein Schienbein tut Arsch weh. Zu allem Überfluß verlaufen wir uns auch noch, was definitiv meine Schuld ist, denn der Weg ist eigentlich total gut ausgeschildet.
Mein Körper rebelliert …
Nach 7 Stunden erreichen wir endlich Altenbrak. Nachdem ich mich die endlosen Treppenstufen des Hotels hochgeschleppt habe, gönne ich mir ein großes Alsterwasser auf der Terasse des Jodlermeister´s. Die jodeln hier nämlich im Hotel. Das werde ich allerdings aufgrund von akuter Müdigkeit nicht mehr erleben. Nach dem Essen schlafen wir drei „Helden“, wie die Steine. Mitten in der Nacht, wecken mich Fuß-/Schienbeinschmerzen auf. Mein Fuß ist dick geschwollen. Ich werde abbrechen müssen. So kurz vorm Ziel. Ich heule und bedaure mich die halbe Nacht, bis ich endlich noch mal schluchzend wegnicke. Am Morgen sieht es nicht viel besser aus. Lt. „Dr“. Google hab ich einen Ermüdungsbruch, begünstigt durch eine beginnende Osteoporose.
Memo an mich: Zuhause Knochendichte messen lassen.
5. Etappe von Altenbrak nach Thale 14 km
Nachdem die morgentliche Gassirunde zwar langsam, aber dennoch irgendwie funktioniert hat, beschließe ich die letzte Etappe doch zu laufen. Es sind ja nur 14 km. Und ich werde langsam laufen und Pausen machen, rede ich mir schön. Augen zu und durch. Es geht wirklich sehr langsam vorran.
Während ich mir selber sehr Leid tue, werde ich permanent von anderen Wanderern überholt. Selbst Schuld, denke ich. „Was musst du auch immer so durchs Leben hetzen? Jetzt hast du die Quittung!“. Durch die Schmerzen legen wir viele Pausen ein und verweilen vorwiegend an wunderschönen Bächen, die meinen Fuß kühlen. Wenigstens die Hunde freut´s.
Später folgt ein zwar schöner, aber auch sehr steiniger Weg. An einem schmalen Pfad, direkt gegenüber eines wunderschönen Bergmassivs, hab ich mich noch mal auf einer Bank für ein Päuschen niedergelassen.
Als ein Pärchen mit großem, schwarzen Hund den schmalen Weg direkt auf uns zu läuft, denke ich nur: „Nicht auch noch das!“. Auweia, das wird eng. Zu eng für Hedda. Sie liegt mitten auf dem schmalen Wanderpfad und lässt zu meinen Erstaunen, diesen Hund antstandslos in 30 cm Abstand zu ihr passieren. Unter „normalen“ Umständen hätte sie nämlich darauf bestanden, dass der „Schwarze“ mindestend 50 m (!) Abstand zu ihrem in der Sonne parkendem Astralkörper hält. Und ob das aufgrund des schmalen Pfades und des tiefen Abgrundes überhaupt möglich wär, wäre ihr scheiß egal gewesen. Dieser kleine Hund erstaunt mich immer wieder.
THALE – Geschafft!
Irgendwie erreichen wir irgendwann unser Endziel Thale. Die Freude ist groß, ich hab´s geschafft. Wir haben es geschafft!
Mein Fuß ist stark geschwollen und tut hölle weh (ich glaub das erwähnte ich schon…). In Thale ist echt viel los. Menschen, Geräusche, Fahrgeschäfte… Wir ignorieren diesen Tumult und suchen erst eine Apotheke und dann unser Hotel auf. „Ich bin den Hexenstieg gelaufen“ erzähle ich nicht ganz ohne Stolz, und mit Blick auf meinen Fuß, dem Apotheker. Der sieht draußen Hedda und Jack, die fröhlich warten und fragt: „Mit den beiden Hunden?“ „Ja, natürlich.“ sag ich. „Die ganze Strecke??“ „Jepp!!“ Da fragt er mich doch tatsächlich, ob das nicht zuviel für die Hunde ist? „Die sind fitter als ich“ entgegne ich entäuscht darüber, dass meine Strapazen kein Mitleid erregen. Den Rest des Tages erholen wir uns entspannt in der Pension, wo bereits unsere Wanderurkunden (Jack + Hedda haben auch eine bekommen), eine Wandernadel und Lekkerchen für die Hunde auf uns warten.
FAZIT:
Eine tolle, erkenntnissreiche Wanderstrecke. Zu sehen was ein Sturm mit den harmlosen Namen „Friederike“ anrichten kann, zeigt die Stärke von Naturgewalten und wir tun gut daran, Respekt zu haben. Ich freue mich diese Tour gelaufen zu sein. Mit meinen Hunden über meherer Tage in der Natur unterwegs zu sein, ist für mich ein Luxus, den ich hoffentlich noch sehr oft und lange genießen darf.
Der Harz und insbesondere der Harzer Hexenstieg bieten ideale Vorraussetzungen für eine tolle Zeit. Mein „Ermüdungsbruch“ hat sich übrigens als Knochenhautentzündung entpuppt und mir mal wieder gezeigt, das Achtsamkeit und Innehalten in meinem Leben viel zu oft zu kurz kommen.
Unterkünfte:
Ich habe für den Hexenstieg die Luxusvariante gewählt. Bzw. anders als beim Malerweg, wo ich alles selber geplant und gebucht habe, habe ich die Planung hier den Profis von Wandern im Harz GbR überlassen. Diese haben für uns Unterkünfte gebucht, wären Ansprechpartner bei Problemen und haben den Gepäcktransfer zu den Unterkünften übernommen. Ich musste demnach kein Futter vorraus schicken und konnte meinen Laptop mitnehmen und an den Abenden etwas arbeiten. Außerdem haben sie uns diese tollen Wanderurkunden ausgestellt!
Kosten:
Die ganze Tour inkl. Gepäcktransfer, Nofall-Handynummer, Lunchpakete und 6 Übernachtungen + Frühstück, hat Euro 545,00 gekostet. Normalerweise wäre noch der Rücktransfer von Thale nach Osterode dabei. Aber der fiel bei mir weg, da ich ja von meinem Mann abgeholt wurde. Hunde mussten teilweise extra gezahlt werden. Ich war mit der Durchführung voll zufrieden und würde es unter den Umständen, wieder so machen.
*Natürlich sind wir keine „Tough Hunter Weltmeister„. Diesen Titel gibt es nämlich gar nicht. Aber würde es ihn geben, dann hätten WIR ihn bestimmt 😉 .
Wenn du noch Fragen zur Tour o.ä. hast, meld dich gern. Ansonsten wünsch ich dir viel Spaß bei allem was du tust.
Ihr drei seit so toll und ihr könnt wirklich stolz auf euch sein.
Awww…,. Daaanke 🙂